Vom Einzelgänger zum Teamplayer: Die Veränderung der juristischen Arbeit führt dazu, dass Projektmanagement und die Koordination der gemeinsamen Tätigkeit immer wichtiger werden. Unser Team bei compleneo benutzt sowohl für Kundenprojekte als auch interne Aufgaben intensiv ein Kanban-Board.
Die Kanban-Methode erfreut sich seit ihrer Entwicklung steigender Beliebtheit. Sie wurde seinerzeit zur Optimierung der industriellen Fertigung erfunden und anschließend von Software-Entwicklern übernommen. Heute wendet man das Kanban in Unternehmen unterschiedlichster Branchen und oft in mehreren Abteilungen parallel an. Rechtsanwaltsgesellschaften, die ihre Aufgaben in Teamarbeit erledigen, profitieren ebenfalls von der bewährten Organisationsmethode.
Was ist ein Kanban Board?
Der Begriff Kanban stammt aus der japanischen Sprache und bedeutet Signalkarte. Als Kanban-Board bezeichnet man ein Whiteboard, das im Projektmanagement zur Anwendung der Kanban-Methode genutzt wird.
Die in den 1950er-Jahren beim japanischen Autohersteller Toyota für die Fertigungssteuerung entwickelte Arbeitsmethode, wird heute erfolgreich in vielen Projekten mit unterschiedlichem Fokus eingesetzt. Als Toyota seinerzeit die Just-in-time-Produktion einführte, war der Autobauer gezwungen, seine Arbeitsorganisation komplett umzustellen. Der Output musste der Kundennachfrage angepasst werden. Außerdem war eine Verschlankung der Arbeitsprozesse erforderlich (Lean Management). David Anderson übertrug das auf dem Hol-Prinzip (Pull-System) basierende Kanban 2007 auf IT-Projektteams.
Alle Teammitglieder bedienen sich aus einem Aufgaben-Pool, den man Backlog nennt. Vor Beginn der Projektarbeit definiert man sämtliche zum Projekt gehörende Aufgaben und notiert sie auf farbigen Karteikarten oder Haftnotizen, den sogenannten Tickets. Anschließend bringt man die Tickets in der ihrem jeweiligen Bearbeitungsstatus entsprechenden Spalte der Kanban-Tafel an. Kanban eignet sich insbesondere für Projekte, die keine Deadline haben und deren Aufgaben sich klar definieren und leicht voneinander abgrenzen lassen. Eine weitere Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung der Arbeitstechnik ist die
gleichartige Qualifikation aller Teammitglieder: Sie müssen im Bedarfsfall in der Lage sein, die Aufgabe eines beispielsweise durch Krankheit ausgefallenen Kollegen zu erledigen. Außerdem lassen sich mit wenig Arbeitsaufwand verbundene Aufgaben und Routinetätigkeiten gut auf den einzelnen Tickets darstellen.
Die später in andere Bereiche wie Personalwesen, Vertrieb, Marketing und Kundensupport übernommene Organisationsmethode erwies sich als effektives Mittel zur Steigerung der Bearbeitungsgeschwindigkeit und Arbeitsproduktivität. Fehlentwicklungen wurden schneller erkannt und konnten mit den entsprechenden Gegenmaßnahmen gemeinsam behoben werden.
Managementaufwand und Arbeitskosten ließen sich langfristig verringern. Kanban verbessert den Workflow und die Auslastung der Teammitglieder und bietet hohe Transparenz. Es optimiert die Kommunikation innerhalb des Teams und steigert die Motivation der einzelnen Teammitglieder, weil sie sich besser in den Prozess einbringen können.
Die Methode ist deshalb so wirksam, weil man mit ihr den Arbeitsablauf übersichtlich darstellen und nachvollziehen kann. Das liegt daran, dass das menschliche Gehirn visuelle Signale sehr viel schneller verarbeitet als Textbotschaften. Sind alle Teammitglieder mit der Methode vertraut, ist es nach einigen Wochen möglich, die durchschnittliche Bearbeitungszeit der einzelnen Aufgaben zu ermitteln. Dies erhöht die Planungssicherheit und ermöglicht eine genauere Angabe des voraussichtlichen Fertigstellungstermins.
Aufbau von Kanban Boards
Inhalt und Aufbau der Kanban-Tafel unterscheiden sich darin, was in dem jeweiligen Projekt visualisiert werden soll. Allen Boards gemeinsam ist, dass die zu erledigenden Aufgaben mit wenigen Worten auf farbigen Tickets beschrieben werden. Diese enthalten zusätzlich den Namen des dafür vorgesehenen Mitarbeiters. Beim klassischen Kanban besteht das Whiteboard von links nach rechts aus den Spalten Backlog (alle zu erledigenden Aufgaben des Projekts), Waiting (im Wartezustand befindliche Aufgaben), Doing (in Arbeit befindliche Aufgaben) und Done (erledigte Aufgaben).
Der zuständige Mitarbeiter nimmt sich das zuerst zu erledigende Ticket aus der Backlog-Rubrik und bringt es in der Spalte
Waiting an, wenn er eine in Arbeit befindliche Aufgabe noch nicht ganz beendet hat. Klebt er diese unter Done auf das Board, nimmt er das im Wartezustand befindliche Ticket und befestigt es in der Doing-Spalte. Hat er die Aufgabe beendet, landet das Ticket in der Done-Rubrik. Kommt es in einer Spalte zu einer Blockade (Bottleneck), häufen sich dort die Tickets. Sie können nach dem Finden der Ursache und der Problembeseitigung weiterbearbeitet werden.
Wendet das Team die Kanban-Methode korrekt an, kann jeder Mitarbeiter den Arbeitsfortschritt genau verfolgen und erkennen, wo es Bearbeitungsstaus gibt. Probleme werden durch gemeinsam beschlossene Verbesserungsmaßnahmen beseitigt. Das Team
- ändert die Anzahl der Tickets in der betroffenen Spalte
- beseitigt ein technisches Problem
- führt eine Pufferzone vor dem Bottleneck ein
- verändert die Anzahl der Mitarbeiter, die die betroffene Rubrik zukünftig bearbeiten
Die mittlere Spalte des Kanban-Boards kann bei Bedarf um verschiedene Zwischenschritte erweitert werden. Für noch mehr Transparenz im Arbeitsablauf sorgen falls erforderlich zusätzliche Anmerkungen auf den Tickets. Manche Boards (IT-Bereich!) sind komplexer aufgebaut, weil sie nicht nur das Erstellen neuer Funktionen, sondern auch die Fehlerbehebung umfassen. In diesem Fall bedient man sich der sogenannten Swimlanes: Die Aufgaben mit anderem Schwerpunkt werden unterhalb einer waagerechten Linie dargestellt. Auch Aufgaben verschiedener Prioritäten lassen sich mit mehreren Swimlanes gut abbilden.
Was man beim Kanban unbedingt beachten sollte
Die Kanban-Methode hat nur wenige Regeln, die man allerdings unbedingt einhalten sollte, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. David Anderson formulierte seinerzeit folgende sechs Kanban-Prinzipien:
- Eindeutige und für alle Teammitglieder verständliche Definition der Aufgaben und Festlegung, wer wann welches Ticket ziehen darf: Jeder Mitarbeiter muss wissen, was die einzelnen Bearbeitungsstatus bedeuten.
- Begrenzung des Work-in-Progress (WIP): Nur wenige Aufgaben dürfen gleichzeitig bearbeitet werden. Daher begrenzt man die Anzahl der Tickets pro Bearbeitungsstatus.
- Kontinuierlicher Workflow: Projektleiter kontrollieren die in der Backlog-Rubrik gelisteten Tickets und stellen so sicher, dass sich immer einige Aufgaben im Doing-Status befinden. Weil jedes Ticket erst nach Beenden der Aufgabe in die Done-Spalte wandert, wird ein gleichmäßiger Workflow gewährleistet.
- Ständige Optimierung (Kaizen): Die Mitarbeiter informieren ihre Teamkollegen in kurzen täglichen Meetings, was sie am vergangenen Tag geschafft haben und ob es dabei Probleme gab. Und darüber, woran sie aktuell arbeiten. In regelmäßig durchgeführten kurzen Review-Meetings werden besondere Themen wie beispielsweise spezielle Arbeitsabläufe und mögliche Risiken diskutiert. Die Feedbackschleifen verbessern die Arbeitstechnik und steigern den Output.
- Verantwortung übernehmen: Kanban bringt die besten Ergebnisse, wenn sich die Teammitglieder in sämtlichen Bearbeitungsstadien verantwortlich fühlen und sich für eine Optimierung der Prozesse einsetzen.
- Nutzung definierter Modelle: Um das Verständnis der Kanban-Methode zu verbessern, empfiehlt etwa David Anderson
Modelle wie beispielsweise die Lean IT.
Vorteile der Kanban-Methode
Die Anwendung des Kanban bringt viele Vorteile:
- Die Einführung ist ohne großen Aufwand möglich und kann für den bereits bestehenden Workflow genutzt werden.
- wird von den Teammitgliedern vorbehaltlos akzeptiert, weil sie sich nicht mit verunsichernden gravierenden Veränderungen auseinandersetzen müssen
- erfordert keine Veränderung der Zuständigkeiten innerhalb des Teams
- motiviert die Teammitglieder, mehr Verantwortung bei der Ausführung der Aufgaben zu übernehmen und die erzielten Verbesserungen umzusetzen
- kann die Organisation im Unternehmen verbessern, wenn es auf die gesamte Wertschöpfungskette angewendet wird.
Analoges oder digitales Kanban Board?
Neben der Option, Kanban mithilfe von physischen Tickets und einem Whiteboard zu praktizieren, kann man eine spezielle Kanban-Software verwenden. Mit deren Hilfe passen sich die Teammitglieder ihr Board entsprechend den Projektanforderungen an und bearbeiten ihre Tickets digital.
Kanban-Software lässt sich gut in firmeneigene Softwarelösungen integrieren und wird als Download oder in der Cloud genutzt. Kanban in der Cloud empfiehlt sich, wenn Projektteams standortübergreifend arbeiten und die Ergebnisse nahtlos in den allgemeinen Workflow integriert werden sollen: Alle Projektmitglieder haben von allen Standorten weltweit Zugriff auf dasselbe Board und erhalten ihre Informationen stets in Echtzeit.
Das integrierte Analysemodul hilft ihnen dabei, ihre Arbeitsschritte genau zu verfolgen und notwendige Änderungen sofort durchzuführen. Arbeitet das Team jedoch an demselben Standort, sollte man unbedingt ein analoges Kanban-Board verwenden. Es steigert die Sichtbarkeit der Arbeitsschritte für alle Beteiligten. Durch das eigenständige Verschieben der Tickets fühlt sich jeder Mitarbeiter persönlich stärker in das Projekt eingebunden. Wir haben uns für eine physische Magnettafel entschieden.
Kanban-Boards in Rechtsanwaltsgesellschaften
Viele Rechtsabteilungen und Kanzleien arbeiten wenig effizient. Die Mitarbeiter kommunizieren nur dann miteinander und mit den Auftraggebern, wenn es unbedingt notwendig ist. Dadurch gerät der Informationsfluss oft ins Stocken, was eine effiziente Zusammenarbeit und schnellere Bearbeitung von Aufträgen verhindert.
Kanban lässt sich natürlich auch in Rechtsanwaltsgesellschaften erfolgreich praktizieren, vorausgesetzt, man passt die Methode den jeweiligen Anforderungen an. Das dort verwendete Kanban-Board hat oft mehr Spalten als das klassische Kanban-Board. Außerdem sind die Spalten den Anforderungen entsprechend benannt.
Die Tafel umfasst die Backlog-Rubrik, in der sich bis zu sechs mit farbigen Tickets gekennzeichnete Mandate befinden, Spalten für laufende Aufgaben, die aber noch nicht bearbeitet werden (Waiting-Status), in Arbeit befindliche Aufgaben (Doing) und erledigte Aufgaben (Done-Status). Hinzu kommen Spalten, die sich nicht auf Mandate, sondern auf andere Aufgaben wie Büroorganisation und Abrechnungen beziehen.
Die Einteilung der Mandate in Zeitpläne und Projektabschnitte lässt eine erste Einschätzung der voraussichtlich anfallenden Kosten zu. Die Gestaltung des Boards mit Swimlanes gewährleistet die Berücksichtigung verschiedener Prioritäten und die rechtzeitige Beschaffung der für die Arbeit benötigten Ressourcen (fehlende Dokumente, befristet eingestellte zusätzliche Mitarbeiter). Die kurzen täglichen Meetings dienen dazu
- die wichtigsten Aufgaben des jeweiligen Auftrags zu bestimmen
- festzulegen, welcher Mitarbeiter welche Aufgabe übernimmt
- Prioritäten bei der Aufgabenbearbeitung festzulegen
Mögliche Bottlenecks sind beispielsweise fehlende Informationen von Auftraggebern und Feedbacks von Kollegen. Obwohl sich Kanban auch in Rechtsanwaltsgesellschaften erfolgreich anwenden lässt, gibt es bisher nur wenige Kanzleien, die es nutzen.
Manche Rechtsanwälte arbeiten allerdings ohne ihre Kollegen mit der Methode. Mit Kanban lassen sich Fristen besser einhalten. Außerdem können Kanzleien damit einem neuen Trend folgen: Immer mehr Unternehmenskunden bevorzugen statt der traditionellen Honorarabrechnung nach Stunden einen Festpreis für das Mandat. In diesem Fall ist der Einsatz des
effizienzsteigernden Kanban für den wirtschaftlichen Erfolg unverzichtbar.